
Zwischen November 2022 und Mai 2023 organisierte das Moldova-Institut Leipzig Hospitationsaufenthalte von 60 ukrainischen Medizinern an Kliniken in Deutschland. Die Initiative zu diesem Wissens- und Kompetenztransfer geht zurück auf einen Besuch des Bundesgesundheitsministers Prof. Dr. Karl Lauterbach bei seinem ukrainischen Amtskollegen Dr. Viktor Ljaschko im Juni 2022, bei der sich beide Fachminister für eine enge Zusammenarbeit bei gesundheitsbezogenen Schwerpunkten aussprachen. Das hieraus entwickelte und vom Bundesministerium für Gesundheit finanzierte Projekt „Brandverletzungen und Behandlungsmethoden. Hospitation von medizinischem Fachpersonal zum Wissens- und Kompetenztransfer“ zielte darauf ab, die Behandlung von Schwerstbrandverletzten in der Ukraine kurzfristig und nachhaltig zu verbessern. Mit den BG Kliniken – Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung gGmbH stand hierfür ein kompetenter Partner zur Verfügung, der den interprofessionellen Teams aus ukrainischen Chirurgen, Anästhesisten und Rehabilitationsmedizinern Einblicke in die eigenen Behandlungsprozesse gewährte. Am BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin, dem BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum, dem BG Klinikum Duisburg, dem BG Klinikum Bergmannstrost Halle, dem BG Klinikum Hamburg, der BG Klinik Ludwigshafen sowie der BG Unfallklinik Murnau konnten sich die ukrainischen Fachärzte nicht nur mit modernen Therapieformen vertraut machen, sondern auch eigene Erfahrungen an ihre deutschen Kollegen weitergeben.


Für die jeweils zweiwöchigen Aufenthalte nahmen die Hospitanten aus Lemberg, Dnipro, Charkiw, Saporischschja, Tschernihiw, Winnyzja, Luzk, Chmelnyzkyj, Kropywnyzkyj und Kiew teils mehrtägige Reisen mit Bus, Bahn oder dem eigenen PKW in Kauf, da der Flugverkehr in der Ukraine kriegsbedingt eingestellt ist. Die positiven Erfahrungen der Hospitationsaufenthalte zeigen jedoch, dass ein fachlicher und vor allem persönlicher Austausch auch und gerade in Kriegszeiten notwendig und möglich ist. Das Moldova-Institut plädiert zudem dafür, ungeachtet des Krieges die Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Deutschland fortzusetzen und auszubauen. Keinesfalls darf der Überfall Russlands auf sein Nachbarland dazu führen, die Integration der Ukraine in europäische Strukturen zurückzustellen oder aufzugeben. Die Ukraine ist seit dem 23. Juni 2022 Beitrittskandidat zur Europäischen Union. Um eine vertiefte bilaterale Zusammenarbeit im Gesundheitssektor zu fördern, bereitet das Moldova-Institut derzeit Anschlussprojekte vor, die die Anbindung ukrainischer Kliniken an Kliniken in Deutschland verstetigen und dauerhafte Partnerschaften ermöglichen werden.


Am 12. April 2023 stellte der stellvertretende Vorsitzende des Moldova-Instituts Leipzig, Dr. Vasile Dumbrava, an der Moldauischen Staatlichen Universität Chişinău den neuesten und damit bereits zehnten Band in der Reihe „Veröffentlichungen des Moldova-Instituts Leipzig“ vor. Im Beisein des Gastgebers, dem Rektor der Universität Prof. Dr. Igor Şarov sowie von Herrn Ullrich Kinne, Geschäftsträger in der Deutschen Botschaft in Chişinău, sprach Dumbrava nicht nur über die Publikation „Erinnerungsorte und konkurrierende Erinnerungskulturen. Geschichtspolitische Konflikte in der Ukraine und der Republik Moldau“, sondern ebenfalls über das gleichnamige Projekt, das im vergangenen Jahr durch eine Förderung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ermöglicht worden war.

Die Beiträge stammen von den Teilnehmern des Projekts, Hochschuldozentinnen, Geschichtslehrerinnen und Schulbuchautorinnen aus der Republik Moldau, der Ukraine und aus Deutschland. Die Beiträge zeigen an Beispielen, wie sich sowohl in Moldau als auch in der Ukraine die Erinnerungskultur nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ausdifferenziert hat: ein Teil der Gesellschaft bezieht sich weiterhin auf sowjetische Heldenerzählungen, der andere Teil befürwortet nationale Erzählungen und die „Entsowjetisierung“ der Vergangenheit. Professor Şarov stellte einen Zusammenhang zum Überfall Russlands auf die Ukraine her, der nicht zuletzt auch ein erinnerungspolitischer Konflikt sei.

Dieser präge auch die Gegenwart in der Republik Moldau, in der frühere Debatten über den Umgang mit sowjetischen Denkmälern wieder aufgeflammt seien. Der vorgestellte Band geht auf diese aktuellen Debatten ein. Abschließend dankte Vasile Dumbrava dem Publikum aus moldauischen Lehrkräften, Wissenschaftlern und Doktoranden sowie den anwesenden Journalisten und Vertretern der Konrad-Adenauer- und der Friedrich-Ebert-Stiftung für ihre rege Teilnahme.
Band 10 der MIL-Schriftenreihe kann jederzeit von der Homepage des Moldova-Instituts kostenfrei heruntergeladen werden.
In unserem vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderten Vorhaben „Erinnerungsorte und konkurrierende Erinnerungskulturen“ sollte es um die teils stark divergierenden Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg in den Gesellschaften Deutschlands, Polens, der Republik Moldau und der Ukraine gehen. In zwei Workshops sollten Studenten der Geschichtswissenschaft, Historiker und Geschichtslehrer zu Fragen von Widerstand und Kollaboration, von Schuld und Leid ins Gespräch kommen und eigene und fremde Erinnerungsnarrative diskutieren.
Während der Vorbereitungen für einen ersten Projektworkshop in Chişinău ereignete sich der Überfall Russlands auf die Ukraine. Der russische Präsident Wladimir Putin legitimierte diesen völkerrechtwidrigen Angriff auch als Fortsetzung des Zweiten Weltkrieges, des Kampfes gegen den Nationalsozialismus. Dass divergierende Geschichtserzählungen das Verhältnis einzelner Länder zueinander belasten und nur durch einen kritischen und konstruktiven Dialog Aussöhnung und Verständnis erreicht werden könne, war ein wesentlicher Anlass für unser Vorhaben gewesen. Dass ein irrationales und zum Dogma erhobenes Geschichtsnarrativ zu einem Kriegsgrund erklärt werden kann, war in diesem Zusammenhang beinahe erwartbar und darum jedoch nicht minder verstörend.
Wegen der unsicheren Lage in der Republik Moldau seit dem 24. Februar 2022 mussten wir den Workshop in Chişinău absagen. Die hierfür vom DAAD bewilligten Mittel konnten umgewidmet und als Stipendien vier ukrainischen Wissenschaftlerinnen zur Verfügung gestellt werden, die teils mit ihren Kindern aus Charkiw und Kiew nach Deutschland geflohen waren.
Hierdurch konnten die Wissenschaftlerinnen im Rahmen des Projekts ihre wissenschaftliche Arbeit fortführen, die in die Projektpublikation eingegangen ist, welche auf der Homepage des Moldova-Instituts Leipzig kostenfrei heruntergeladen werden kann.
Der für den September geplante Projektworkshop in Deutschland konnte dagegen wie geplant stattfinden, dies nicht lediglich mit Beteiligung moldauischer, sondern ebenfalls ukrainischer Historiker und Geschichtslehrer. Wir sind sehr froh darüber, dass die ukrainischen Beteiligten die teils beschwerliche und naturgemäß auch gefährliche Anreise auf sich genommen haben, und dass der fachliche Austausch zwischen Ländern der EU und der Östlichen Partnerschaft auch nach Beginn des Krieges fortgesetzt werden konnte.
Eindrücke aus dem Projekt
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