Ukrainekrieg und Unterrichtsgestaltung
Ziel des Projekts ist es, die didaktisch-methodische Kompetenz der Lehrkräfte aus der Republik Moldau, der Ukraine, Armenien und Georgien zu erweitern und ihnen zu helfen, ihren Unterricht multiperspektivisch, kontrovers und sachlich zu gestalten
01.04. -
31.12.2023
Ausgangslage und Zielsetzung
Deutschland/ Moldau
Ausgangslage
Am 24. Februar 2022 startete Putin einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der anhaltende Krieg, die mediale Präsenz von Tod, Zerstörung und Flucht, die in Deutschland, der Republik Moldau und anderen Staaten ankommenden Geflüchteten und die enorme Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung werfen die Frage auf, ob auch - und wie - Lehrkräfte im Geschichtsunterricht zum Friedensprozess beitragen können. Wie gehen Lehrkräfte mit dem Ukraine-Krieg und Flucht im Unterricht um, wie machen sie das Thema Krieg den Schülern verständlich? Welche Position sollen sie als Lehrkräfte einnehmen und was bedeutet „Neutralität“ in diesem Kontext? Wie lässt sich mit diesen herausfordernden Themen pädagogisch adäquat umgehen?
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Der Angriffskrieg auf die Ukraine verdeutlicht unmittelbar, wie fragil viele bisher in Europa als selbstverständlich betrachtete, demokratisch legitimierte Errungenschaften sind. Nationalismus und Populismus, wie wir sie in den vergangenen Jahren vor allem in autokratisch regierten Ländern beobachten, führen zu einer Geschichtsrevision, die Werte wie Demokratie, europäische Identität oder dialogbasierte Völkerverständigung infrage stellen. Ersetzt werden sie durch imperialen Patriotismus und Ethnonationalismus. Die Verschärfung von Feindbildern und die Konzentration auf konfliktrelevante Sachverhalte, spezifische Täter-Opfer-Perspektiven und die Betonung von „Heldentum“ gehören zu den gängigen Legitimationsmustern. Schulbuchverlage unterliegen starkem politischen Druck, die Ukraine aus russischen Schulbüchern zu tilgen und ein „großrussisches“ Geschichtsbild zu vermitteln. In Putins Reden wird der Hitler-Stalin-Paktes 1939 gerechtfertigt, jede Mitverantwortung der Sowjetunion für die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges negiert und die angebliche „historische Einheit der Russen und Ukrainer" als Teil „einer großen russischen Nation“ hervorgehoben.
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Putins Geschichtsbild findet auch in der Republik Moldau Zustimmung bei einem Teil der russischsprachigen Bevölkerung. Es gibt Lehrkräfte, vor allem in den russischsprachigen Regionen (Taraclia und Gagausien), die sich an Putins Geschichtsbild orientieren. Informationen – wie Text- oder Bildinhalte zu Kriegsszenen, die über Social Media ohne pädagogische Einordnung in die Lebenswelt der Schülerinnen gelangen – verstärken die Befürchtung, dass die Konfliktpotentiale in der Schule zunehmen können. Belastung, negative Gefühle und Ängste sind die Folge, da einige Schüler in der Republik Moldau selbst über Fluchterfahrung verfügen. Den Ukraine-Krieg in der Schule pädagogisch zu begleiten, ist komplex. Um Lehrkräfte hierbei zu unterstützen, wollen wir mit unserem Projekt Impulse für einen offenen und differenzierten Dialog geben und verlässliche Hintergrundinformationen und Hilfestellungen für die Behandlung des Ukrainekriegs im Unterricht zusammenstellen. Die Auseinandersetzung mit dem Krieg in der Ukraine birgt zugleich die Möglichkeit, im Unterricht die Themen Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Frieden verstärkt aufzugreifen. Schulische Demokratiebildung, die auf die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und das Miteinander unterschiedlicher Ethnien und Kulturen abzielt, hat gerade jetzt eine besondere Bedeutsamkeit.
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Projektziel
Ziel des Projekts ist es, die didaktisch-methodische Kompetenz der Lehrkräfte aus der Republik Moldau, der Ukraine, Armenien und Georgien zu erweitern und ihnen zu helfen, ihren Unterricht multiperspektivisch, kontrovers und sachlich zu gestalten. Eine differenzierte Quellensammlung zu diesem Thema wird zusammengestellt, online zugänglich gemacht und die Lehrkräfte bei einer ausgewogenen Vermittlung von Geschichte im Unterricht werden unterstützt. Ein weiteres Ziel besteht darin, Geschichtslehrkräfte aus der Republik Moldau mit Geschichtslehrkräften aus der Ukraine bei der Winterschule am Georg-Eckert- Institut in Braunschweig zu vernetzen und dauerhafte Beziehungen mit den deutschen Fachkollegen anzubahnen.
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Das Vorhaben richtet sich an Lehrkräfte der Republik Moldau, Georgien, Ukraine, Armenien, die sich zielorientiert für die Multiperspektivität von Geschichte engagieren und einen Beitrag zur Eröffnung neuer Zugänge zur Geschichte leisten wollen. Im Rahmen der Winterschule (u.a. am Georg-Eckert Institut für Internationale Schulbuchforschung) werden die Geschichtslehrkräfte mit Lehrkräften aus der Ukraine, Georgien, Armenien vernetzt. Die von den Teilnehmern innovativ auszuarbeitenden Vorschläge und Empfehlungen sollen ein Zeichen für positive Veränderungen in Lehre und im Umgang mit Geschichte setzen. Diese Multiplikatoren werden hier als Akteure verstanden, die sich mit Inhalten von Schulbüchern und Geschichtsdidaktik auseinandersetzen wollen. Geschichtslehrer, die die Geschichte kritisch vermitteln wollen, wird daher eine große Verantwortung innerhalb der Gesellschaft zugeschrieben.
Projektleitung
Dr. Marina Dumbrava
Gefördert durch