Minderheitenpolitik und Konfliktpotentiale
Das übergeordnete Ziel des Projekts bestand in der Stärkung des Dialogs zwischen Vertretern ethnischer Minderheiten mit der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft. Die Teilnehmer diskutierten die mit Heterogenität, Vielfalt und Inklusion zusammenhängenden rechtlichen Fragen sowie gelungene Beispiele des Minderheitenschutzes in verschiedenen Ländern Europas. Des Weiteren erhielten sie Anregungen für die Ausarbeitung eines Konzepts zur Aufnahme der ethnischen Minderheiten in das allgemeine Geschichtsnarrativ ihrer Herkunftsländer.
Projektmaßnahmen
Das Projekt umfasste drei Maßnahmen, die im Zeitraum von Juli bis November 2024 in Form von Präsenzseminaren in Braunschweig, Bautzen sowie Chișinău mit wechselnder Teilnehmerschaft und Arbeitsformen durchgeführt wurden. Die Teilnehmenden befassten sich auf unterschiedlichen Ebenen mit dem Thema nationale Minderheiten, nämlich einerseits mit ihrer Darstellung in Lehrplänen und Schulbüchern sowie auch anhand von konkreten Fallbeispielen, sowohl in Gestalt von singulären historischen Persönlichkeiten als auch der aktuell in Deutschland, der Republik Moldau, Georgien und der Ukraine lebenden ethnischen Gruppen mit Minderheitenstatus.
Der erste Projektschritt „Curriculare Weiterentwicklung – Darstellung von ethnischen Minderheiten in Lehrplänen und Schulbüchern“ erfolgte vom 27.07. bis 03.08.2024 am Georg-Eckert-Institut für Bildungsmedien (GEI) in Braunschweig. Die dortige Curricula-Workstation bietet einen zentralen Zugang zu deutschen und internationalen Lehrplänen und eine strukturierte Suche nach Lehrplänen über die Auswahl des Landes, des Lernbereichs, des Bildungslevels und des Erscheinungsjahres. Der als Arbeitstreffen konzipierte Aufenthalt von sechs Lehrkräften des Fachs Geschichte aus der Republik Moldau erfolgte in Abstimmung mit dem moldauische Bildungsministerium und diente der Verankerung des Themas ethnische Minderheiten im schulischen Curriculum. Die Projektteilnehmenden erarbeiteten ein Grundkonzept für das vom Ministerium anvisierte Lehrbuch „Vielfalt und gute Nachbarschaft. Kulturelle und ethnische Pluralität der Republik Moldau“ (Arbeitstitel). Der Aufenthalt am GEI diente hierbei der Vernetzung mit deutschen
Fachleuten und beinhaltete neben der Arbeit mit einschlägigen Medien und Fachliteratur dem unmittelbaren Erfahrungsaustausch. Das Programm beinhaltete Vorträge zu curricularen Grundsätzen des Geschichtsunterrichts an deutschen Schulen und der Darstellung jüdischer Geschichte sowie der Sinti und Roma in aktuellen deutschen Lehrwerken. Darüber hinaus besuchten die Teilnehmenden das institutseigene Digital Lab und machten sich mit der Lehrmittelplattform „Zwischentöne“ vertraut.
Den zweiten Teil des Projekts bildete eine achttägige Herbstschule unter dem Titel „Minderheitenpolitik und Konfliktpotentiale“, die vom 21.09. bis 29.09.2024 schwerpunktmäßig in Bautzen, einem der Hauptorte im Siedlungsgebiet der Sorben in Deutschland, stattfand. An dem Beispiel dieser slawischen Minderheit wurden den Teilnehmenden Konfliktfelder, Lösungsansätze sowie Strategien und effektive Praktiken der Selbstbehauptung einer kleinen ethnischen Gruppe in der deutschen Mehrheitsgesellschaft aufgezeigt. Das Programm umfasste Gesprächstermine bei dem Domowina-Bund der Lausitzer Sorben, dem in der Spracherziehung in Kindertagesstätten und Schulen aktiven Sprachzentrum WITAJ sowie dem Sorbischen Institut. Besuche in einer Bautzener Grundschule sowie auch dem Sorbischen Gymnasium vermittelten einen direkten Einblick in den Alltag einer Bildungseinrichtung mit Unterrichtsanteilen in einer Minderheitensprache. Vorträge zur Genese der deutschen Bildungspolitik gegenüber Minderheiten am Beispiel der Sorben, Polen, Dänen und Nordfriesen, zur Regionalgeschichte sowie zu Fragen der aktuellen Politik gegenüber den Sorben ermöglichten den Projektteilnehmenden eine umfassendere kontextuelle Einordnung, die sie durch eigene Beiträge zu Darstellung und Umgang mit ethnischen Minderheiten in Moldau, Georgien und der Ukraine erweiterten. Das kulturelle Erbe Bautzens und der Lausitz kam dank eines Besuchs der bikonfessionellen Kirche St. Petri und des Sorbischen Museums sowie einer Exkursion nach Panschwitz-Kukau ebenfalls nicht zu kurz.
Das Seminar mit dem Titel „Ethnische Minderheiten – unsichtbare Geschichte, Identitätskonstruktionen und Konfliktpotenziale“ fand vom 27.10. bis 01.11.2024 in Chişinău statt. Diese dritte Projektmaßnahme richtete sich an Lehrkräfte, die teils in Regionen in der Republik Moldau, Georgien und der Ukraine tätig sind, in denen ethnische Minderheiten kompakt leben. Dementsprechend waren Schul- und Museumsbesuche vor Ort in Minderheitengebieten ein wesentlicher Bestandteil des Programms. Eine halbtägige Fahrt ging in das unweit von Chişinău gelegene Dorf Ivancea mit einem bedeutenden ukrainischsprachigen Bevölkerungsanteil, jeweils ganztägige Exkursionen führten ins Autonomiegebiet Gagausien mit Aufenthalt im Dorf Avdarma und im bulgarisch geprägten Taraclia ganz im Süden der Republik Moldau sowie auch in die im Norden gelegene Stadt Soroca, in der ein hoher Anteil von Roma lebt. Eine weitere Komponente des Seminars waren die Beiträge der Projektteilnehmenden, die am Beispiel prominenter Einzelpersonen aus Kultur und Geschichte die Rolle nationaler Minderheiten bei der Entwicklung der drei betreffenden Länder verdeutlichten. Weitere Vorträge befassten sich mit Fragen der Implementierung der Minderheitenthematik in das Curriculum des schulischen Geschichtsunterrichts sowie der Neubildung nationaler Identität im Kontext jüngerer Konflikte in der Region, einschließlich des Kriegs in der Ukraine.
Treffen der Arbeitsgruppe Curricula in Braunschweig: Das moldauische Bildungsministerium hält es für notwendig, ethnische Minderheiten im Curriculum zu verankern und den Wertedialog zu erweitern. Die Curricula-Workstation am Georg-Eckert-Institut (GEI) bietet dabei einen zentralen Zugang zu deutschen und internationalen Lehrplänen und eine strukturierte Suche nach Lehrplänen über die Auswahl des Landes, des Lernbereichs, des Bildungslevels und des Erscheinungsjahres. Bis zu 8 Lehrkräfte aus der Republik Moldau werden sich am Georg-Eckert-Institut (GEI) in Braunschweig aufhalten und ein Konzept für das Lehrbuch „Vielfalt und gute Nachbarschaft. Kulturelle und ethnische Pluralität der Republik Moldau“ (Arbeitstitel) ausarbeiten. Am GEI wird eine Vernetzung der moldauischen Geschichtslehrkräfte mit deutschen Experten gefördert. Programmpunkte: Erfahrungsaustausch; Fachvorträge; Arbeit in der Bibliothek mit Schulbüchern und Lehrplänen und Diskussionen.
01.04.-31.12.24
Braunschweig, Bautzen Deutschland
Chişinău
Republik Moldau
Projektleitung
Dr. Vasile Dumbrava
Gefördert durch